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Dem österreichischen Dichter Richard Schaukal lässt Thomas Mann zwischen 1900 und 1905 zahlreiche Poststücke zukommen. Erstmalig erscheinen hier alle 75 erhaltenen Schreiben Manns und der einzige Briefentwurf Schaukals wissenschaftlich ausführlich kommentiert im gesamten Wortlaut.§Die vorliegenden Briefe bieten inhaltlich einen hauptsächlich literarischen Schwerpunkt, doch zeigt die Wahl der angeschnittenen Themen gleichzeitig ein ausgesprochen privates Profil: Neben den üblichen gegenseitigen Berichten über Sommeraufenthalte, Übersiedlungen, Besuche, Theater und Oper wird immer wieder über körperliche Befindlichkeiten berichtet und das zarte Nervenkostüm des Modernen prononciert. So zeigen die aus den Briefen Manns hervorgehenden Psychogramme des jungen Dichters deutliche Ähnlichkeiten zwischen ihm und seinem Wiener Korrespondenten: Beide berichten gerne von Erfolgen, Zuwendung, Bewunderung, und wo dies nicht immer möglich ist, wie etwa im Falle Schaukals, werden Publikum und Kritiker einfach für dumm erklärt. Doch auch Mann kann nicht darauf verzichten, seinen Korrespondenten mit der wiederholten Erwähnung seines Ruhmes, der vielen Auflagen, des wirtschaftlichen Erfolges u.ä. subtil zu quälen, nicht ohne dies später ebenso subtil zu leugnen und ihn sogar damit zu "trösten", dass Ruhm eigentlich etwas höchst Beschwerliches sei.§Für das abrupte Ende der Korrespondenz gibt es nur zwei Erklärungsmuster: Entweder hatte Mann tatsächlich sehr doppelbödig agiert und Schaukal als willfährigen Kritikerfreund verwendet, der, sobald er sich zu echter Kritik verstieg, einfach ausgemustert wurde. Oder aber Manns junges künstlerisches Selbstverständnis war durch das durchaus treffsichere Urteil Schaukals über "Fiorenza" so sehr ins Mark getroffen, daß eine Fortführung der Brieffreundschaft aus Gründen des gekränkten Künstlerstolzes für ihn nicht mehr in Frage kam. In diesem Fall wäre Schaukal Opfer der Selbsterkenntnis seines Korrespondenten geworden; in seinem "Notizbuch" hält dieser fest: "Denn am meisten hasse ich die, welche durch die Gefühle, die sie in mir erwecken, mich auf die Schwächen meines Charakters aufmerksam machen."